Nach dem Aufkünden des Atomabkommens mit Iran durch die USA hat sich die politische Situation in Iran im laufe der letzten Tage zugespitzt. Zuerst wurde Wirtschaftsminister Massoud Karbassian am Sonntag mit einer Vertrauensabstimmung abgesetzt. Die Debatte wurde in einem ausführlichen Beitrag in den staatlichen Nachrichten gezeigt und die einzelnen Voten zeigte eine äusserst grosse Unzufriedenheit vieler Parlamentarier mit der Regierung. Bereits Anfang August wurde auf dieselbe Weise der Arbeitsminister abgesetzt. Und vorgestern wurde der Präsident höchstselbst vor die „Madschlis“, das 250 Abgeordnete umfassende Parlament zitiert. Er sollte den Parlamentariern die Fragen erklären, weshalb es mit der Wirtschaft immer weiter bergab geht, warum die Arbeitslosigkeit im Land immer weiter ansteigt und wie es mit dem Land mit den Sanktionen weitergehen soll. Aufklärung wurde vom Parlament auch über den vermutlich von Revolutionsgardisten organisierten Schmuggel verlangt. Wirklich beantworten konnte der Präsident jedoch keine der Fragen befriedigend. Als Hassan Rouhani eine "amerikanische Verschwörung" für die sich zuspitzende Krise in seinem Land verantwortlich machte, brachen die Abgeordneten in lautes Hohngelächter aus.
Die Antworten des Staatspräsidenten auf seine Fragen wertete das Parlament als unzureichend, weshalb die iranische Justiz, ein Machtinstrument der konservativen Hardliner, nun prüfen soll, ob die Rouhani-Regierung gegen iranische Gesetze verstossen hat. Sollte dies der Fall sein, wären die Weichen für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Hassan Rouhani in der Teheraner Madschlis gestellt. Ob es jedoch schliesslich dazu kommen wird, ist noch offen: Noch hat der oberste Führer Ali Khamenei – der „Rahbar“ (Führer) und alleiniges Staatsoberhaupt des Iran – den Daumen nicht über Rouhani gesenkt. Die beiden Geistlichen sind seit Jahrzehnten gut befreundet. Ein demütigendes Amtsenthebungsverfahren will der iranische Revolutionsführer Rouhani daher wohl ersparen. Unterdessen hat er sich auch zum Atomabkommen geäussert: Er sprach sich für eine Fortsetzung der Bemühungen aus, das Abkommen gemeinsam mit den Europäern zu retten, äußerte sich aber skeptisch zu den Erfolgsaussichten. Die iranische Regierung sollte "bei Fragen wie dem Atomabkommen oder der Wirtschaft ihre Hoffnung nicht auf die Europäer setzen", erklärte er. "Wir müssen ihre Versprechen mit Skepsis bewerten." In politischen Fragen hat Khamenei im Iran das letzte Wort. Verhandlungen mit der Regierung in Washington schloss er erneut aus. Derweil wurde bekannt, dass der Geheimdienst mehrere ausländische Spione verhaftet habe. Dies wird hierzulande als Versuch gewertet, von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken. Auch die Berichte zur Korruptionsbekämpfung wie etwa der über 10minütige Bericht diese Woche in den Nachrichten des iranischen Staatsfernsehens über ein Gerichtsverfahren gegen drei der Korruption angeklagte Beamte, werden mit Achselzucken abgetan: Die grossen Fische würden ohnehin nicht angetastet. Und die Meinung zu einem möglichen Absetzungsverfahren gegen Rouhani oder die Absetzung verschiedener Minister? Diese ist bei den Leuten, mit denen wir gesprochen haben ziemlich klar: Diejenigen, die nachrücken werden, sind mit Sicherheit nicht besser... P.S.: Meine Bitte, doch einmal die Nachrichten des iranischen Staatsfernsehens sehen zu dürfen, wurde mit etwas Verwunderung quittiert – die meisten Iranerinnen und Iraner schauen schon längst nur noch die Nachrichten ausländischer Fernsehkanäle an.
0 Comments
|
Autor"For my part, I travel not to go anywhere, but to go. I travel for travel's sake. The great affair is to move; to feel the needs and hitches of our life more nearly; to come down off this featherbed of civilization…" ArchivKategorien |