Im grünen Gürtel zwischen dem kaspischen Meer und dem Djangal des Elburs-Gebirges wird neben viel Gemüse auch Reis angepflanzt. Die Reisfelder reichen bis in die Täler des Elburs hinein und auch im breiten Flusstal des Sefid Ruds unterhalb von Rudbar wird bis weit über Totkabon hinaus Reis angebaut. Das letzte Mal, als wir hier waren, war Frühling und wir hatten Gelegenheit, bei unseren Fahrten überall zu beobachten, wie der vorgezogene Reis büschelweise in die Erde der überfluteten Felder gepflanzt wurde. Dies ist eine mühselige, nasse Arbeit, die häufig von Frauen verrichtet wird. Diese stopfen die Säume ihrer langen Röcke dann in den Bund und ersetzen das Kopftuch mit einem Strohut aus Reisstroh. Zuerst werden die Felder mit Wasser aus unzähligen Kanälen überflutet und dann die Furchen für das Setzen gezogen. Dann werden die etwa 20 cm hohen Reissetzlinge gepflanzt. Hände und Füsse sind dabei die ganze Zeit im Wasser, die Arbeit erfordert stundenlanges Bücken. Seit 400 v. Chr. wird Reis in Mesopotamien angebaut, vermutlich kam der Reis aus dem alten Persien. Dort züchteten Bauern in der heutigen Provinz Gilan (Nord-Iran) Indica-Sorten, die noch heute von Bedeutung sind, darunter Gerdeh, Hashemi, Hasani und Gharib. Die Römer kannten Reis bereits als Medizinpflanze. Zu dieser Zeit wurde Reis auch in Babylonien und Syrien angebaut. Reis wurde im 10. Jahrhundert durch die Mauren in Spanien eingeführt. 1475 wird Reis in einer Urkunde des Herzogs von Mailand erwähnt und wird seitdem in der Po-Ebene angebaut. Reis ist ursprünglich keine Wasserpflanze, sondern hat sich seit Jahrtausenden durch Zucht und natürliche Selektion an die Überflutung der Felder angepasst. Viele Unkräuter und bodenlebende Schädlinge werden durch die Flutung am Wachstum gehindert, was der hauptsächliche Grund für den Wassereinsatz beim Reisanbau ist. Der Reis wird zuerst in ein trockeneres Saatfeld gesäht, geht dort auf und wird dort belassen, bis er planzreif ist. Dann wird er dort ausgegraben und in seinen definitiven Bestimmungsort gepflanzt. Dieses Jahr kommen wir gerade richtig zur Reisernte an. Der Reis ist den Sommer über in den mittlerweile ausgetrockneten Feldern gewachsen und zur Reife gelangt. Jetzt wird er mit runden Handsicheln geschnitten und zu grossen Haufen aufgeschichtet. In diesen Haufen trocknet der Reis nun an, bevor er gedroschen und in die Mühle transportiert wird. er Reismühle werden die Spelzen entfernt, die etwa 20 % des ursprünglichen Gewichtes ausmachen. Es verbleibt die eigentliche Reisfrucht, die aus Mehlkörper, Keimling und umgebendem Silberhäutchen besteht. Sie wird ungeschälter Reis, brauner Reis oder auch Cargoreis genannt, da der Reis meist in dieser Form exportiert wird. Als Naturreis kommt dieser Reis auch teilweise zum Verbrauch als Vollkornreis in den Handel. Durch Schleifen werden Silberhäutchen und Keimling vom ungeschälten Reis entfernt. In dieser Form heisst der Reis geschliffener oder weisser Reis. Der nach dem Schleifen raue, leicht Stärke ins Kochwasser abgebende und deswegen sehr klebrig kochende Reis wird durch Polieren geglättet. Dies geschieht trocken oder mit Wasser durch Reibung der Reiskörner aneinander. Der meiste im Iran produzierte Reis bleibt im Land selber, es wird kaum etwas exportiert. Reis bildet in Iran zusammen mit Hülsenfrüchten und Brot das Hauptnahrungsmittel – kaum ein Essen, wo nicht als Beilage Reis gereicht wird. Ich habe für alle Interessierten das Grundrezept für persischen Reis mit Kruste („tadiq“) auf meiner Rezeptseite abgelegt: https://www.elizei.ch/essen/category/beigaben Mit dem Reisstroh wurden früher die Dächer der Bauernhäuser gedeckt und Matten, Besen, Hüte und viele andere Dinge gefertigt. Im Cultural Heritage Museum von Rasht – einem Freilichtmuseum – sind verschiedene traditionelle Häuser von Gilan zu besichtigen und verschiedene Handwerkerinnen können bei ihrer Arbeit beobachtet werden. Obwohl sehr viel Reis in Iran angebaut wird, werden pro Jahr rund eine Million Tonnen Reis importiert. Indien ist der grösste Reislieferant Irans. Der Reisimport aus Indien betrug 2014 1,7 Milliarden US-Dollar. Weitere Bestände wurden aus Pakistan und den Arabischen Emiraten importiert. Mit dem Anstieg des Reisimports aus Indien stieg das Land – nach China und den Arabischen Emiraten – zum grössten Warenlieferanten Irans auf. Auf die gesamte Bevölkerung hochgerechnet betrug der iranische Jahresbedarf im Jahr 2013 etwa 2,9 Millionen Tonnen. Seit die Preise für Lebensmittel wegen der Wirtschaftskrise im Iran nach 2013 um etwa 60 Prozent anstiegen, kostet iranischer Reis sieben Mal soviel wie aus dem Ausland importierter. Es wird berichtet, dass aufgrund des „willkürlichen Reisimports“ viele Händler den iranischen Reis in den Lagern lassen und stattdessen den günstigeren importierten verkaufen würden. Reis aus Indien etwa hätte „längst die iranischen Esstische erobert”, und Familien “aus den ärmeren Schichten kaufen selbstverständlich den billigeren Reis” wird erzählt. Dabei baut der Iran jährlich etwa 2,2 Millionen Tonnen Reis selbst an. Und obwohl dem Land damit für seinen Jahresbedarf lediglich 600.000 Tonnen fehlen, wurden im vergangenen Jahr etwa 70 Prozent des iranischen Gesamtbedarfs aus Indien eingeführt .Indien gehört zugleich zu den grössten Abnehmern des iranischen Erdöls. Offensichtlich bezahlt Indien das aus Iran importierte Öl mit Reis, weil Iran infolge der Sanktionen seine Einnahmen aus dem Ölgeschäft nicht transferieren darf...
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In Rudbar treffen wir verschiedene Jugendfreunde von N und unternehmen mit ihnen Ausflüge in die Umgebung. So zum Beispiel hinauf in die Berge oberhalb von Totkebon – ein Gebiet, in dem N vor seinem Militärdienst in den siebziger Jahren ein halbes Jahr mit der “Gesundheitsarmee“ des Schahs unterwegs war, um in den entlegenen Dörfern Leute zu impfen. Wo wir heute problemlos mit dem kleinen Pride hinaufkommen, war früher ohne Jeep kein Durchkommen. Einzelne Dörfer konnten gar nur zu Pferd erreicht werden. Hier auf der rechten Talseite des Sefid Rud ist es sehr grün, und der „Djangal“, der Wald, reicht bis in die Dörfer hinab. Grosse Hunde sind unterwegs, sie schützen die Höfe mit den Kühen, Ziegen, Schafen und Hühnern vor den Wölfen, von denen es hier oben viele gibt. Auch Bären wurden gesichtet und Luchse. Wir machen Halt in einem kleinen Dorf und trinken bei einer Metzgerei einen Tee und essen ein Kebab: Lamm am Spiess vom Feuer mit Fladenbrot und Zwiebeln. Die Schafhälften hängen draussen unter dem Vordach, und warten auf Käufer aus dem Tal. Die vielen Fliegen freuts. Zwischen den alten Häusern mit kleinen Gärten, die mit Zäunen aus getrockneten Ästen umgeben sind, ragen einige neue mehrstöckige und verschnörkelte Villen auf: Die Furcht vor der grassierenden Inflation und dem laufenden Wertverlust der iranischen Währung führt zu einem teilweise aberwitzigen Bauboom – an den unmöglichsten Orten wird gebaut, Hauptsache, das Geld ist investiert und nicht auf der Bank, wo es täglich weniger wird. Nach diesem Ausflug fahren wir auf eine Anhöhe bei Rudbar. Hier oben, auf einer nach Norden und Süden offenen Felsnase, hat die Regierung ein Bauprojekt gestartet: Etwa zwanzig zu einem richtiggehenden Wall zusammengebaute Häuser stehen hier oben im Wind – sie wurden als subventionierter Wohnraum für die ärmere Bevölkerung gebaut. Leider bedachte man nicht, dass die steile Strasse hier hinauf im Winter kaum passierbar ist. Schnee und Eis verhindern, dass die Leute, die hier oben wohnen, überhaupt ins Tal hinunter kommen. Weitere 15 Häuser sind im Bau – ganz offensichtlich wurde hier aber schon lange nicht mehr gearbeitet. Unser Freund erklärt uns, weshalb: Die Baufirmen – allesamt von ausserhalb und wahrscheinlich durch Beziehungen in die richtigen Behördenstellen zu den Aufträgen gekommen, haben gebaut, solange das Interesse am Projekt und damit die Aufmerksamkeit daran bestand. Kaum blickte man an andere Orte, nahmen sie das Geld und verschwanden. Hat man die richtigen Beziehungen, so kann man dies offenbar ungestört und von der Justiz unbehelligt tun. Später fahren wir nach Harzevil, ein kleines Nest oberhalb von Manjil. Hier steht eine uralte Zypresse (mindestens 2500 Jahre alt, versichert jeder), die natürlich zum Besichtigungsprogramm rund um Rudbar gehört. Wir hatten bereits 2010 das Vergnügen. Heute ist eine ganz besondere Stimmung, denn oberhalb von Harzevil regnet es, während hier die Sonne scheint und über der mächtigen Zypresse spannt sich ein vielfarbiger Regenbogen. Hier oben liegen ganz in der Nähe die Ruinen einer ganzen Siedlung: Hier lebten die Ingenieure und Fachkräfte aus Frankreich, die in den siebziger Jahren den Staudamm von Manjil gebaut haben. Es gab Häuser, ein Schwimmbad, diverse Restaurants, ein Kino und sogar eine Kirche. Zahlreiche Rudbari arbeiteten damals ebenfalls hier und man trifft in Rudbar entsprechend viele ältere Leute, die heute noch etwas französisch reden. Eingerostet zwar und mit vielen Entschuldigungen („Bebakhschid“), wenn die Worte sich nach so vielen Jahren nicht mehr einfach finden lassen. Die Siedlung wurde nach der islamischen Revolution komplett zerstört, nur die Grundmauern sind – überwuchert und seit bald vierzig Jahren der Natur überlassen – noch sichtbar. Und der Pool, der hinter einem hohen verrosteten Zaun in verwittertem Blau durch das Gestrüpp schimmert. Wir passieren die alten Wege und N und sein Freund erzählen davon, wie lebendig es hier war und auch sie hier als junge Männer die Restaurants und das Kino besucht haben... Die neue Siedlung über Rudbar - nicht fertiggebaut...
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Autor"For my part, I travel not to go anywhere, but to go. I travel for travel's sake. The great affair is to move; to feel the needs and hitches of our life more nearly; to come down off this featherbed of civilization…" ArchivKategorien |